Wenn ich mir den Schweizer Markt ansehe und mit Leuten spreche, fällt mir auf, dass sich in den letzten 6-12 Monaten in Bezug auf AI sehr viel getan hat. Wir sind zwar immer noch am Anfang, aber im Vergleich mit vor 2-3 Jahren sehe ich doch eine spannende Entwicklung.

Die Frage, die ich jedoch immer wieder antreffe ist, wo und wie sich Unternehmen am Besten dem Thema nähern und Nutzen aus der Technologie ziehen können. Man ist sich zwar immer mehr bewusst, dass die Beschäftigung mit AI immer einen explorativen Charakter hat und daher auch mit einem Lernprozess einhergeht – und das unabhängig davon, ob man selber etwas entwickelt oder ein Produkt resp. einen Service einkauft. Aber die Investition soll ja auch einem klaren geschäftlichen Ziel oder Bedürfnis folgen.

Nachfolgend erläutere ich Ihnen in 4 Schritten die wichtigsten Überlegungen zu einer grundlegenden AI Strategie. Damit sollte jedem Unternehmen der Einstieg problemlos gelingen.

1. Exploration

Der erste Schritt startet – nicht ganz überraschend – mit der Überlegung, was Sie als Unternehmen erreichen wollen, in welche Richtung es sich entwickeln soll und welche besonderen Herausforderungen derzeit zu bewältigen sind. Eine wichtige Inspirationsquelle dazu sind ihre Strategie(en) sowie geplante und laufende Transformations- oder Produktprojekte, aber natürlich auch Rückmeldungen von Mitarbeitern und Kunden.

Leiten Sie davon Anwendungsfelder ab, in denen AI potentiell eine Rolle spielen könnte. Denken Sie in diesem Schritt durchaus gross und lassen Sie auch Ideen zu, die vielleicht etwas verrückt klingen. Es geht hier einfach um eine erste Auslegeordnung. Folgende Fragen können Ihnen dabei helfen:

  • Wie können wir unsere Produkte/Dienstleistungen smarter machen, so dass sie eigene Entscheidungen treffen oder Aktivitäten auslösen können (Endbenutzersicht)?
  • Wie können wir unsere Prozesse smarter machen, dass sie adaptiver und automatisierter werden anstelle einer genau vordefinierten, manuell gesteuerten Logik zu folgen (Anwendersicht)?
  • Wie können wir unser Kundenverständnis darüber verbessern, wie sie mit uns interagieren, was sie benötigen und welche Probleme sie haben?
  • Welche oft anfallenden Routineaufgaben verursachen viel Aufwand und könnten automatisiert werden?

Nutzen Sie zur Dokumentation keine ausschweifenden Formulierungen, sondern halten Sie sich kurz und knapp. Stellen Sie aber möglichst sicher, dass alle Beteiligten dasselbe Verständnis haben. Sie können dazu User Stories/Epics benutzen oder sich an den «Job to be done» Ansatz von Clayton Christensen anlehnen.

2. Assessment

Idealerweise haben Sie nach Schritt 1 um die 10-15 Use Cases identifiziert. Wie bei der Balanced Scorecard gilt für den Moment: «Twenty is plenty». Dieser Schritt soll ihnen dabei helfen, diese grundlegend zu strukturieren und die Use Cases gemeinsam besser zu verstehen. Beschäftigen Sie sich daher für jeden Use Case mit folgenden Fragen und dokumentieren Sie die Resultate.

  1. Ownership: Wer im Unternehmen ist der ideale Verantwortliche oder Sponsor für die Umsetzung dieses Use Case?
  2. Expertise: Besitzt das Unternehmen bereits die fachliche Expertise für diesen Use Case oder ist es ein neues Feld, in dem Know-how zuerst rekrutiert oder eingekauft werden muss?
  3. Technology: Welcher Technologieansatz (nicht Produkt) eignet sich für diesen Use Case (z.B. Maschinelles Lernen mit strukturierten Daten, Bilderkennung, etc.)? Welche technischen Fähigkeiten und Daten werden benötigt und sind diese verfügbar?
  4. Implementation: Gibt es organisatorische Hürden, die beseitigt werden müssen, bevor dieser Use Case in Angriff genommen werden kann? Zum Beispiel muss ein AI Vorhaben, welches eher einer kontinuierlichen Verbesserung gleicht als einem Projekt mit striktem Anfang und Ende, anders geführt werden.
  5. Change: Viele AI Use Cases haben einen direkten Einfluss auf die Prozesse und die Arbeit. Wie kann damit und möglichem Widerstand umgegangen werden?
  6. Legal: Gibt es rechtliche oder ethische Rahmenbedingungen, die berücksichtigt werden müssen, zum Beispiel Datenschutz?

Wichtig: Auch hier geht es nicht darum, jeden einzelnen Punkt bis ins Detail zu beleuchten, sondern ein gutes Gefühl für die Stärken und Schwächen, Ecken und Kanten zu erhalten. Wenn Sie eine Frage nicht in nützlicher Frist beantworten können, lassen Sie es für den Moment.

Zwischenfazit

Idealerweise haben Sie für diese ersten zwei Schritte pro Teilnehmer nicht mehr als 1-2 Tage Zeit aufgewendet haben. Je mehr Teilnehmer, desto breiter natürlich die Auswahl der Use Cases und je fundierter die dazugehörenden Diskussionen.

Vermutlich werden Sie an diesem Punkt feststellen, dass Sie sich eine Goldgrube an spannenden geschäftlichen Möglichkeiten erarbeitet haben. Machen Sie sich keine Sorgen, dass sie etwas Wichtiges vergessen haben könnten. Es geht primär darum, einen einfachen und anregenden Einstieg zu finden. Wie so oft im Leben ist auch bei AI der Weg das Ziel.

Im zweiten Teil des Artikels geht es nächste Woche mit den Schritten 3 und 4 weiter. Zudem liefere ich praktische Werkzeuge für die Umsetzung.