Bisher dachte ich, James Watt hätte die Dampfmaschine erfunden. Das ist falsch, es war Thomas Newcomen über 50 Jahre zuvor. Die Maschine war aber unglaublich ineffizient. Der Wirkungsgrad lag bei unter 1%. Watt war es jedoch, der bei der Reparatur einer Newcomen Maschine Ideen zu Verbesserungen hatte, welche sie deutlich effizienter machten und damit den eigentlichen Durchbruch ermöglichten.

Was hat das alles mit der Blockchain zu tun? Dazu komme ich gleich.

Als anschauliche (starke) Vereinfachung stelle ich mir eine Blockchain jeweils so vor: 10 Personen sitzen an einem runden Tisch. Keiner vertraut dem anderen. Person 1 will Person 7 Geld oder einen anderen Wert senden. Sie schreibt die Transaktion auf ein Blatt Papier und lässt es am Tisch zirkulieren. Alle Personen verifizieren die Transaktion mit Ihrer Unterschrift. Sie erhalten als Anreiz dafür ein kleines Entgelt. Das Papier wird für alle Personen kopiert und jede legt es auf ihren Stapel. Die Transaktion gilt somit als getätigt, unwidersprochen und unveränderbar.

Es ist ziemlich naheliegend, dass solch ein Verfahren ineffizient ist und praktisch nicht skaliert (stellen Sie sich vor, es sitzen 10’000 Personen am Tisch). Bei allen spannenden Aspekten der Blockchain sehe ich aktuell verschiedene Probleme. Hier sind drei davon.

  1. Kosten: Eine Transaktion benötigt dieselbe Menge Energie wie ein Einfamilienhaus pro Tag. Die Berechnung steht zwar in der Kritik, aber die Grössenordnung ist wohl nicht falsch. Eine Kreditkarten-Transaktion benötigt 1/5000 davon. Irgendjemand muss dies bezahlen, wenn auch indirekt.
  2. Servicequalität: In einem System, in dem jede Partei grundsätzlich autonom agiert weiss man nie, ob und wann eine Transaktion «durchkommt». Stellen Sie sich vor, eine Person am Tisch ist gerade am Telefon oder «verlegt» das Papier. Das kann im Besten Fall zu Zeitverzögerungen, im schlechtesten Fall zu nicht ausgeführten Transaktionen führen.
  3. Geschäftslogik: Smart Contracts ermöglichen es, Geschäftslogik dezentral genauso kontrolliert wie bei einem zentralen System auszuführen. Smart Contracts sind aber Software-Programme. Nur wer Code lesen kann, kann sie verstehen. Ausserdem ist es aus meiner Sicht praktisch unmöglich, die Eindeutigkeit und Gültigkeit in allen juristischen, wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Kontexten (sowohl explizite Regelwerke wie auch implizite Annahmen) sicherzustellen.

Aber das Wichtigste ist: Kein Kunde interessiert sich für Blockchain. Er möchte nur einen einfach zu benutzenden und kostengünstigen Service.

Im Moment scheint es mir bestenfalls ein Hammer auf der Suche nach einem Nagel zu sein. Und schlechtestenfalls eine Blase, welcher teilweise absurde Züge annimmt.

Blockchain-Technologie ermöglicht Transaktionen unter Parteien, welche sich nicht vertrauen. Das Vertrauen ist damit nicht obsolet, es verlagert sich darauf, dass jede Partei der Technologie vertrauen muss. Dass die Entwickler keine Fehler machen. Dass jemand die Kosten trägt und dafür entschädigt wird. Dass niemand das System ernsthaft stören kann. Dass alle ihren «Job» korrekt machen. Dass die Smart Contracts wasserdicht sind. Und so weiter.

Das sind ziemlich viele Annahmen für die Tatsache, dass Technologie von Menschen gemacht ist und Menschen Fehler machen.

Ich habe bisher nur wenige wirklich überzeugende Anwendungsfälle gesehen, welche im Übrigen mit den obengenannten Problemen gut leben können, da sie (entgegen der Grundidee) in einem mehr oder weniger kontrollierten Umfeld laufen.

Es ist keineswegs mein Ziel, Blockchain schlecht zu reden. Ich denke nur, der Reifegrad ist eben noch vergleichbar mit der Newcomen Maschine: In spezifischen Anwendungsgebieten, in denen die genannten Probleme nicht so ins Gewicht fallen, funktioniert die Technologie und macht auch einigermassen Sinn.

Ich bin aber überzeugt, dass bereits viele moderne James Watts an Verbesserungen oder gar einer ganz neuen Technologie-Generation arbeiten. Bis zum Durchbruch wird es aber sicher nicht 50 Jahre dauern und es lohnt sich, Blockchain im Auge zu behalten.

In der Zwischenzeit sollten wir uns auf die wirklichen geschäftlichen Probleme (Digitalisierung oder nicht) konzentrieren, denn vermutlich lassen sich alle auch ohne Blockchain lösen.